von Fritz Hinterberger

Wirtschaft oder Umweltschutz – eine Debatte feiert fröhliche Urständ. Jetzt müsse einmal Schluss sein mit übertriebendem Umweltschutz. Wirtschaft, Wachstum, Arbeitsplätze hätten Vorrang. So wird gemunkelt. Hatten wir diese Debatte nicht schon einmal? Die älteren unter uns erinnern sich: für das AKW in Zwentendorf und das Donaukraftwerk in der Hainburger Au wurde mit der gleichen falschen Kausalkette argumentiert. Heute wissen wir: die Lichter sind nicht ausgegangen. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich seit damals verdoppelt! Wer genau hinschaut, sieht, dass das Gegenteil der Fall ist. Eine konsequente Klima- und Umweltpolitik ist geradezu ein Motor der wirtschaftlichen Enwicklung. Wo sollen denn die massenhaften Innovationen, die wir so dringen brauchen, sonst herkommen? Ohne eine eingagierte Klimapolitik wird Österreich und Europa vom Weltmarkt abgehängt.

Entscheidend ist dabei, wie Europa mit diesen Herausforderungen umgeht: eher reaktiv oder offensiv. Schon vor einigen Jahren haben wir als Teil eines europäischen Konsortiums gemeinsam mit WissenschaftlerInnen und renommierten Universitäten und Instituten in London, Deutschland und den Niederlanden untersucht, welche Wirkungen sich auf volkswirtschaftliche Größen (z.B. Beschäftigung, Wirtschaftswachstum, Wertschöpfung u.a. in einzelnen Branchen) und auf Umweltindikatoren (z.B. CO2-Emissionen, Rohstoffproduktivität) in den einzelnen EU-Mitgliedsländern ergeben würden, wenn die EU eine globale Vorreiterrolle im Klima- und Ressourcenschutz einnehmen würde.

Diese umfasst eine ganze Reihe von klimapolitischen Maßnahmen (z.B. forcierter Ausbau erneuerbarer Energien, eine ökosoziale Steuerreform, Förderung von E-Mobilität) und wurde mit einem Referenzszenario (“Business as usual”, also einem Weitermachen wie bisher), verglichen. Im Auftrag des (damals noch so genannten) Ministeriums für ein lebenswertes Österreich wurden diese Szenarien 2017 für Österreich analysiert.

Wo gibt es in Europa eine große Batterienfabrik? Digitalisierte Start-ups brauchen keine großen Infrastrukturen, die angeblich durch die Klimapolitik verhindert werden, und auch keine dritte Piste am Flughafen Wien.

Eine proaktive Politik macht wirtschaftliche und soziale Innovationen erst möglich, sowohl in der Produktion als auch im Konsum, was zugleich mit neuen Jobs verbunden ist; außerdem eröffnen sich Spielräume für sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit. Das gilt übrigens auch für einen europaweiten Atomausstieg. Erneuerbare Ressourcen dafür haben wir genug.

Umgekehrt: Lässt man die Dinge laufen wie bisher, münden ökologische Knappheiten unweigerlich in einer Negativspirale für Europa und die Welt. Die Zahlen belegen eindrucksvoll, dass umweltpolitische Untätigkeit erhebliche ökonomische Risiken mit sich bringt: Der Klimawandel gerät außer Kontrolle, die Nahrungsmittelpreise steigen, die Wirtschaft verlangsamt sich und die Arbeitslosigkeit nimmt zu. In der Folge bleibt vom Haushaltseinkommen immer weniger übrig, die Nachfrage nach anderen Produkten sinkt. Das schlägt sich in fallenden Wachstumsraten nieder, in Österreich, in der EU, und weltweit.

Wagt die EU aber einen umweltpolitischen Alleingang, kann sie mit einer mutigen  Politik einen Vorteil (first mover advantage) gegenüber dem Rest der Welt erzielen. Es kommt zu deutlichen Einkommens- und Beschäftigungsgewinnen.

Ein umweltpolitischer Alleingang der EU kann die globalen Probleme nicht lösen, sondern allenfalls entschärfen. Allerdings könnte die EU zum Vorbild (front runner) werden. Ihre ökonomischen Erfolge könnten andere Länder – insbesondere die wichtigen Schwellen- und Entwicklungsländer – veranlassen, Europa auf dem eingeschlagenen Weg zu folgen. Das verdeutlicht aber auch die Gefahr, wirtschaftlich zurück zu fallen, wenn andere Regionen hier voran gehen. Und das gilt erst recht für Länder, die glauben, das umweltpolitische Rad wieder zurückdrehen zu müssen. Österreich sollte sich einer solchen Trumpschen Politik nicht anschließen.

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