Vor genau 10 Jahren, im ersten Halbjahr 2006, hatte Österreich zuletzt die europäische Ratspräsidentschaft inne. Seit der Erweiterung auf derzeit 28 Mitglieder dauert es ja ein wenig länger bis wir wieder „dran“ sind. Noch drei Jahre, wenn ich richtig rechne. Spannend für Nachhaltigkeits-bewegte war diese Präsidentschaft vor allem deshalb, weil gerade in diesem Halbjahr die europäische Nachhaltigkeitsstrategie fertig gestellt und beschlossen werden sollte. Schon ein paar Jahre vorher hatten wir uns am SERI gemeinsam mit unserem Freund und langjährigen Wegbegleiter Harald Hutterer mit dem Thema „Glück“ beschäftigt – im Sinne von „glücklich sein”, nicht „Glück haben“. „Governance for Sustainable Development“, so einer unserer damaligen Claims, müsse sich am größtmöglichen Glück der Menschen orientieren. In der Region „Niederösterreich Mitte“ haben wir ganz konkret mit Stakeholdern an diesem Claim gearbeitet: eine Region auf dem Weg zum Selbst. Nun haben uns Elisabeth „Sissy“ Freytag und Rita Trattnigg, die an vorderster Front in den Verhandlungen der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden waren, gebeten, das heißt beauftragt, sie dabei zu unterstützen, geeignete, das heißt auch: konsensfähige, Formulierungen zu finden. „Wellbeing“, „Wohlbefinden“ ist dann am Ende dabei als oberstes Ziel für die Nachhaltigkeit in Europa heraus gekommen – das Wort Wachstum findet man in dem Dokument vergebens. Formulierungen, wie sie heute etwa von der Gemeinwohlbewegung, die gerade ihr 5-jähriges Bestehen gefeiert hat, gebraucht werden, waren also schon vor 10 Jahren en vogue. Sissy und Rita erzählten damals, wie das Hantieren mit solchen Werten und Begriffen, auch das Klima in den europäischen Verhandlungsrunden verändert hat.

Nach diesem Erfolg war aber die Frage: was nun? Ganz ehrlich: wer liest schon Dokumente wie die europäische Nachhaltigkeitsstrategie, die noch dazu von Dokumenten wie der Strategie „Europa 2020“ bald in den Schatten gestellt wurde? Ein nächster Schritt war die Erarbeitung eines „Argumentariums“ mit dem vielsagenden Titel: „Welches Wachstum ist nachhaltig?“ zuerst auf Deutsch und dann auch auf Englisch. Jeweils ergänzt um Statements österreichischer bzw. europäischer ExpertInnen, Stakeholder und EntscheidungsträgerInnen. Ok, die Argumente sind da, zusammengestellt, veröffentlicht – was nun? Der logische nächste Schritt war die erste internationale Konferenz „Wachstum im Wandel“ 2010 in der Wiener Aula der Wissenschaften, mit der es bei über 500 TeilnehmerInnen gelang, das Thema auf eine breite Grundlage zu stellen.
Nach der Verbreitung kam die Vertiefung. In einem Policy-Science-Stakeholder-Prozess wurden 10 Policy Papers mit Themen wie „Wachstum und Arbeit“, „Wachstum und Staatsausgaben“, „Wachstum und Verteilung“ oder „Wachstum und Konsum“ erarbeitet – in 2-3 Runden mit 10-50 einschlägig bewanderten Menschen.
Ende Februar öffnete nun die dritte “Wachstum im Wandel“-Konferenz – diesmal an der Wiener Wirtschaftsuniversität – ihre Tore.

Es war auch diesmal wieder das Zusammentreffen österreichischer und internationaler ExpertInnen und PraktikerInnen zum Thema, hervorragend organisiert durch ein Team von Umweltministerium und WU und einem größeren Kreis aller Partnerorganisationen. So konnten wir uns vom SERI diesmal voll auf das inhaltliche konzentrieren. Da waren unsere beiden Workshops über Zukunftsszenarien und säkulare Stagnation, die wir im aktuellen Highlight auf der SERI-Website dokumentieren und unser Workshop „Transformationsjournalismus“ (Link!), den wir über unser Projekt „N21“ veranstaltet haben. Journalistische Profis und Laien haben drei Tage lang das Geschehen auf der Konferenz verfolgt und für den Live-Blog aber auch N21 aufbereitet. Highlight war die morgendliche „Zeitung” mit den Highlights vom Vortag. Und jetzt erscheinen peu a peu die Videos, die N21-Journalistin Anna Holl mit Christian Hinterberger bei der Konferenz gedreht hat. Im ersten Teil unserer zweiteiligen Serie fragten wir nach den Möglichkeiten eines ökonomischen “Weiter so“ sowie den Grenzen des derzeitigen Wirtschaftssystems und konkret des wirtschaftlichen Wachstums. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Alternativen, “Wachstum im Wandel“ eben.

Apropos N21. Wir stehen kurz davor, so wie von Anfang an geplant, das Online-Medium exklusiv für AbonnentInnen anzubieten, die wir lieber „Mitglieder” nennen. Unser Ziel: „N21“ zu einer Online-Community zu machen, in der sich die Bewegung austauscht, von einander lernt und weiter denkt, was nötig ist, um den Wandel hin zu kriegen. Abos können schon jetzt gezeichnet werden und helfen uns beim Aufbau unseres neuen Projekts. In Bälde kann man das auch direkt im Internet tun und erhält dann für 21 Cent pro Tag (Studierende 9 Cent) fast täglich Hand verlesenes aus der großen weiten Welt der Nachhaltigkeit.
Fröhliches Weiterwandeln!
wünscht
Fritz Hinterberger