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Modellierung einer nachhaltigen Entwicklung
Wie wirken sich Klima-Maßnahmen auf die Entwicklung des Wirtschaftswachstums, der Beschäftigung und der CO2-Emissionen aus? Wie beeinflussen Materialeffizienz-steigerungen unseren Ressourcenverbrauch? Welche Auswirkungen hat eine öko-soziale Fiskalreform? Welche Effekte können von einer Veränderung des Konsumverhaltens erwartet werden? Solche und ähnliche nachhaltigkeitspolitische Fragestellungen können mit integrierten Wirtschafts-Umwelt-Energie-Modellen untersucht werden.


Nachhaltige Entwicklung stellt heute ein allgemein akzeptiertes Leitmotiv für politische Entscheidungen dar. Es existiert kaum ein politisches Programm, das nicht das Etikett der Nachhaltigkeit für sich beansprucht: Begriffe wie nachhaltige Budgetpolitik, nachhaltige Gesundheitspolitik, nachhaltiger Tourismus, nachhaltige Regionalentwicklung, nachhaltig Bauen, nachhaltig Wirtschaften gehören zur politischen Tagesordnung und untermalen den inflationären Gebrauch des Konzeptes.

Nachhaltigkeit darf jedoch nicht nur zu einem modernen Schlagwort degradiert werden, das politischen und wirtschaftlichen Akteuren als Deckmantel zur Umsetzung ihrer Interessen dient. Daher betont die Österreichische Nachhaltigkeitsstrategie, nachhaltige Entwicklung „ ... ist ein neues, an Langfristigkeit orientiertes Leitbild der Umwelt-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, das weit über Regierungsperioden und Landesgrenzen hinausweist. Intakte Umwelt, wirtschaftliche Prosperität und sozialer Zusammenhalt sollen gemeinsame Ziele der globalen, nationalen und lokalen Politik sein, damit die Lebensqualität für alle Menschen langfristig gesichert ist. Nachhaltige Entwicklung ist daher die Antwort auf die Herausforderung, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Prozesse verantwortungsbewusst zu steuern. Dabei ist es erforderlich, Zielkonflikte zu analysieren und Optionen zu deren Bewältigung zu entwickeln“ (vgl. Österreichische Bundesregierung, 2002). 

Damit Nachhaltigkeitspolitik erfolgreich und wirksam gestaltet werden kann, muss sie an klaren politischen Vorgaben ausgerichtet sein, deren Einhaltung gemessen und überprüft werden kann. Wirkungsvolle Werkzeuge zur Messung der Auswirkungen von Politikmaßnahmen auf die ökologische, ökonomische und soziale Dimension nachhaltiger Entwicklung stellen makroökonometrische, multisektorale Simulationsmodelle dar. Sie verbessern die Entscheidungsgrundlage für politische Akteure bei der Wahl von geeigneten Instrumenten und Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, indem sie die systematischen Zielkonflikte zwischen den unterschiedlichen Indikatoren nachhaltiger Entwicklung (z.B. Materialverbrauch, Energieverbrauch, CO2-Emissionen, Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, etc) in einem konsistenten Rahmen betrachten und quantifizieren.

Mit derartigen Modellen können Simulationsexperimente durchgeführt werden, die unter Berücksichtigung aller relevanten Rück- und Nebenwirkungen die Entwicklung ökonomischer, ökologischer und sozialer Größen möglichst detailliert und realitätsnah abbilden. Die dynamische Ausrichtung der Modelle erlaubt es, Szenarien unterschiedlicher Politiken zu simulieren, und deren Effekte für einzelne Branchen und die Gesamtwirtschaft über einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren im Voraus abzuschätzen.

Da solche Modelle die Beziehungen zwischen den Sektoren der österreichischen Volkswirtschaft abbilden, sind sie geeignet, den Strukturwandel zu erfassen. Dies ist deshalb entscheidend, da das langfristige Ziel nachhaltiger Entwicklung eine Umorientierung der ökonomischen Strukturen erfordert. So ist es möglich, belastende Auswirkungen auf bestimmte Branchen oder soziale Gruppen erkennen und durch einen gesellschaftlichen Ausgleich und unterstützende Maßnahmen abfedern zu können. Der Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung kann dadurch mit Bedacht auf soziale und wirtschaftliche Verträglichkeit gestaltet werden.

Im Sinne einer Ergänzung der nur an ökonomischen Kennzahlen, wie dem BIP, orientierten wirtschaftspolitischen Entscheidungskriterien stellt der Einsatz von Simualtionsmodellen für die Bereitstellung von Entscheidungsgrundlagen auf Basis von Nachhaltigkeitsaspekten eine wichtige Voraussetzung dar. Ein Nachhaltigkeitsmodell bietet den Rahmen für differenzierte Analysen, die über ökonomische Sachverhalte hinausgehen und auch ökologische und soziale Auswirkungen verschiedener politischer Maßnahmen und Eingriffe aufzeigen. Als Beispiel sei die Evaluierung einer Reform des derzeitigen Fiskal- und Sozialsystems angeführt: Hier könnte ein integriertes Nachhaltigkeitsmodell Zusammenhänge abbilden, die herkömmliche ökonomische Modelle vernachlässigen (z.B. Vergleich von Finanz- und Ressourcenströmen).

Das Österreichische Nachhaltigkeitsmodell von SERI und GWS und seine Anwendungen

In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) hat SERI das integrierte Umwelt-Wirtschafts-Energiemodell "e3.at" entwickelt.

Das gesamte Modellsystem umfasst zur Zeit folgende Module:

Ökonomisches Modell, das ein Input-Output-Modell sowie die Darstellung des Kontensystems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und den Arbeitsmarkt umfasst.

Energiemodell, das den Zusammenhang zwischen ökonomischer Entwicklung, Energieeinsatz und CO2-Emissionen beschreibt. Es umfasst den Primärenergie-Verbrauch, die Transformation und den Endenergie-Verbrauch.

Materialmodell, das die inländischen und importieren Materialinputs jenen Sektoren zuordnet, die für die Materialentnahme verantwortlich sind.

Außenhandelsmodul, das den österreichischen Außenhandel in Form eines „Soft Links“ mit dem Weltmodell GINFORS verbindet. GINFORS „liefert“ Weltimportpreise und die Weltimportnachfrage als Ausgangsgrößen für das österreichische Modellsystem.

Das Nachhaltigkeitsmodell wird in der Folge um neue Modellblöcke und Module erweitert werden. Beispielsweise ist die Einbeziehung weiterer Umweltmedien / Schadstoffe möglich, sofern eine klare Abhängigkeit von ökonomischen Aktivitäten besteht und diese Zusammenhänge möglichst über längere Zeiträume erfasst worden sind. Die Integration eines Flächenmoduls würde die Berechnung der Auswirkungen von Flächensteuern ermöglichen. Die Entwicklung eines Verkehrsmoduls könnte auch verkehrspolitische Fragen beleuchten.

Neben dem Fokus auf die ökonomisch–ökologischen Wechselwirkungen soll auch die zur Zeit rudimentär erfasste soziale Dimension sukzessive in das Modell integriert werden. Mit der Verbesserung der sozialen Datenlage könnte eine umfassende Analyse aller “drei Säulen” der Nachhaltigkeit erfolgen. Quantitative Indikatoren für wichtige soziale Bereiche wie Erziehung und Bildung, Gesundheit, Einkommens- und Vermögensverteilung, Gestaltung von Arbeit und Freizeit, sowie die Wohn- und Siedlungssituation ließen sich entweder direkt oder unter Verwendung geringfügiger Zusatzinformationen aus einem sozioökonomischen Berichtssystem ableiten.

Dieses neue Modell wurde/wird bisher in zwei Projekten eingesetzt.

RESA: Ressourceneinsparungen Austria
In diesem Projekt analysierten wir zum ersten Mal für Österreich, welche Auswirkungen auf Beschäftigung, Wirtschaft und Umwelt für die österreichische Volkswirtschaft resultieren, wenn Unternehmen verstärkt in Ressourcenproduktivität investieren und damit die innerbetrieblichen Kosten senken. Dazu wurden vier Szenarien entwickelt, die mit Hilfe eines integrierten ökologisch-ökonomischen Modells simuliert wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Materialkostenreduktionen positiv auf Beschäftigung, Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit auswirken. Sie ziehen auch große Materialeffizienzsteigerungen nach sich, allerdings kommt es zu keinen Reduktionen des gesamten Materialverbrauchs. Grund hierfür ist der sogenannte Reboundeffekt, der dadurch zustande kommt, dass Menschen im allgemeinen auf Effizienzerhöhungen und den damit verbundenen Kosten- bzw. Preisreduktionen mit einer Zunahme der Nachfrage reagieren. Damit wurde klar, dass Ökoeffizienz alleine nicht ausreicht, um den Verbrauch an natürlichen Ressourcen nachhaltig zu senken. (siehe www.seri.at/resa).

Modellierung von nachhaltigen Energieszenarien
Das Projekt analysiert Auswirkungen einer nachhaltigen Energiepolitik auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Im Rahmen eines partizipativen Prozesses werden drei verschiedene Szenarien, fokussiert auf erneuerbare Energietechnologien, für Österreich bis 2020 modelliert (siehe www.seri.at/energiemodell).

Vorbereitende Arbeiten/Projekte, die die Entwicklung des Modells einleiteten:

Ansätze zur Modellierung einer nachhaltigen Entwicklung in Österreich
Basierend auf nationalen und internationalen Erfahrungen wurden in diesem Projekt von SERI in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut Kriterien formuliert, die ein Österreichisches Modell für integrierte Nachhaltigkeitsanalysen unbedingt aufweisen sollte. Die Berücksichtigung dieser Kriterien kann zukünftige Anstrengungen zur Nachhaltigkeitsmodellierung unterstützen (siehe www.seri.at/a-modell).

Europäische und internationale Modellierungsprojekte:
SERI arbeitet aber nicht nur auf nationaler Ebene in Modellierungs- und Szenarien-Projekten. Auch auf europäischer Ebene werden Nachhaltigkeitsszenarien entwickelt und deren Auswirkungen modelliert, analysiert und evaluiert.

MOSUS - Modelling opportunities and limits for restructuring Europe towards sustainability
MOSUS wendet ein globales ökonomisch-ökologisches Simulationsmodell an, um umweltpolitische Maßnahmen in der EU auf ihre ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen hin zu evaluieren. Der Mix an Umweltpolitikinstrumenten, welche in den verschiedenen Nachhaltigkeitsszenarien simuliert wurde, zeigt, dass die Umsetzung von Politikmaßnahmen zur Entkoppelung von Wirtschaftsaktivitäten einerseits und Material- und Energieverbrauch andererseits wachstumsfördernd sein kann. Diese Ergebnisse widerlegen daher die allgemeine Meinung, dass solche Politiken nur die Kosten für Unternehmen erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit verringern und daher zu weniger Wirtschaftsleistung führen. Die Ergebnisse der Szenariorechnungen unterstützen die Ansicht, dass höhere Ressourcen- und Energieeffizienz die Position europäischer Industrien auf dem Weltmarkt stärken und daher auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen kann. Sie zeigen aber auch das Potential für weitere Umweltentlastungen, das dadurch entsteht, dass diese höhere Effizienz nicht unbedingt für mehr Wachstum, sondern bei gegebenem materiellem Wohlstand unter Umständen auch für immaterielle Verbesserungen genutzt werden könnte (mehr Freizeit, mehr Zeit für immaterielle Aktivitäten) (siehe www.seri.at/mosus).

ALARM - Analyse und Bewertung von Umweltveränderungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die biologische Vielfalt
Alarm verfolgt das Ziel, bestehende Instrumente zur Bewertung der Biodiversität Europas (und ihrer Bedrohungen) zu verbessern. Resultierend daraus, sollen Handlungsempfehlungen gegeben werden, um die biologische Vielfalt zu sichern. SERI, als Teil es sozio-ökonomischen Teams versucht, jene Faktoren und Interessen zu benennen, die Risiken für biologische Vielfalt darstellen. Ausgehend davon, sollen Strategien entwickelt werden, um dem entgegen zu wirken (siehe www.seri.at/alarm).

EcoChange
EcoChange untersucht, wie sich Klimawandel oder geänderte Landnutzung auf terrestrische Biodiversität und Ökosysteme auswirkt und mit welchen Veränderung in der Zukunft zu rechnen ist. Dabei wird auch untersucht, wie sich diese Änderungen auf die Güter und Dienstleistungen, die durch die Ökosysteme bereitgestellt werden (z.B. Nahrung, frische Luft), jetzt und in den nächsten 100 Jahren auswirken (werden) (siehe www.seri.at/ecochange).

Resource productivity, environmental tax reform and sustainable growth in Europe (PETRE)

PETRE untersucht die Wirtschafts- und Umweltauswirkungen einer ökologischen Steuerreform in Europa und evaluiert die Effektivität dieser Reformen zur Erhöhung der Ressourcen- und Arbeitsproduktivität (siehe www.seri.at/petre).

 


Kontakt
  Andrea Stocker
Friedrich Hinterberger

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